Kein Sex in der Beziehung – warum das selten das eigentliche Problem ist
- Daniela Bodinoli

- 12. Nov.
- 2 Min. Lesezeit

In vielen Langzeitbeziehungen verändert sich Sexualität mit der Zeit. Was am Anfang selbstverständlich war, wird seltener, zögerlicher oder ganz still. Oft entsteht dabei eine unausgesprochene Spannung:
Einer wünscht sich mehr Nähe, der andere fühlt sich unter Druck. Darüber zu sprechen fällt schwer, weil beide verletzt sind – auf unterschiedliche Weise.
Schnell taucht dann der Vorwurf auf, vor allem gegenüber Frauen:
Sie würden „Sex als Waffe“ einsetzen, um Macht auszuüben oder Strafen zu verteilen. Aber dieser Gedanke greift zu kurz. Er verdeckt, was wirklich passiert.
Wenn Sexualität in einer Beziehung leiser wird, geht es selten um Absicht. Es geht um Erschöpfung, um Überforderung, um Distanz, die sich unbemerkt aufgebaut hat. Oft hat jemand lange zu viel gegeben – körperlich, emotional, organisatorisch. Und irgendwann zieht der Körper eine Grenze, die der Kopf nicht ausgesprochen hat.
Wenn Lust verschwindet, ist das kein Beweis für fehlende Liebe
Viele Frauen lieben ihren Partner. Aber sie erleben, dass Sexualität zu einem Ort geworden ist, an dem sie funktionieren sollen. Nicht aus Lust, sondern aus Pflichtgefühl. Das hat wenig mit Begehren zu tun – und viel mit innerem Druck.
Lust entsteht, wenn sich ein Mensch sicher, gesehen und frei fühlt. Wenn Nähe erwartet, gefordert oder bewertet wird, verliert sie ihren Charakter von Freiwilligkeit. Dann wird Sex nicht mehr zu einem Ausdruck von Nähe, sondern zu einer Aufgabe.
Kein Wunder, dass viele Frauen irgendwann nicht mehr wollen. Nicht, weil sie bestrafen. Sondern, weil ihr Körper kein Ort mehr ist, an dem sie sich entspannen können.
Warum Schweigen oft Schutz ist
In vielen Beziehungen wird über dieses Thema nicht mehr gesprochen.
Weil jedes Gespräch in Rechtfertigung endet.
Weil jemand sagt: „Du willst nie.“
Und jemand anderes denkt: „Ich kann nicht mehr.“
Dieses Schweigen ist kein Machtspiel. Es ist Selbstschutz. Denn ständiger Druck, sich zu erklären oder zu beweisen, macht Nähe unmöglich.
Kein Sex in der Beziehung – was wirklich helfen kann
Weniger reden über „Sex“ – mehr reden über das, was ihn unmöglich macht. Wie viel Stress, Müdigkeit, Überforderung steckt im Alltag? Wie viel Nähe gibt es ausserhalb des Betts? Wie viel Sicherheit im Miteinander?
Manchmal beginnt Veränderung nicht mit Verlangen, sondern mit Verständnis. Nicht mit Technik, sondern mit Ehrlichkeit. Wer wieder lernen will, sich zu begegnen, muss zuerst aufhören, sich gegenseitig zu beurteilen.
Sex ist kein Mittel zur Kontrolle – und kein Massstab für Liebe. Wenn Intimität leiser wird, ist das kein Zeichen von Bosheit, sondern ein Signal, dass etwas anderes Aufmerksamkeit braucht.
Es geht nicht darum, Schuld zu finden, warum es kein Sex in der Beziehung gibt. Sondern darum, ehrlich hinzusehen, was Nähe gerade unmöglich macht – und was sie wieder entstehen lassen könnte.
Deine Daniela,
Paar- und Sexualberaterin
Coach & Mentor für Liebe, Beziehung und Sexualität




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