Die Psychologie sexueller Fantasien: Warum Tabus erregen – auch wenn wir sie nie ausleben würden
- Daniela Bodinoli

- 21. Nov.
- 4 Min. Lesezeit

Psychologie sexueller Fantasien: Was sie wirklich über uns verraten
Sexuelle Fantasien gehören zu den persönlichsten Anteilen unserer Sexualität. Fast jeder Mensch hat sie – und trotzdem sprechen nur wenige offen darüber. Viele glauben, ihre Fantasien seien „komisch“, „falsch“ oder peinlich.
Dabei ist das Gegenteil wahr:
Fantasien sind normal, gesund und ein wichtiger Teil unseres inneren Erlebens.
Sie entstehen aus Vorstellungskraft, Neugier, Lust –und manchmal eben auch aus dem Reiz des Verbotenen. Und genau das macht sie so kraftvoll.
Natürlich geht es hier ausschliesslich um Fantasien, die im Rahmen von Konsens und Sicherheit bleiben. Illegale oder verletzende Inhalte sind selbstverständlich ausgeschlossen.
Fantasie ist kein Bekenntnis – sondern ein innerer Spielraum
Viele Menschen erschrecken über bestimmte Fantasien, als würden sie etwas über ihre Moral aussagen. Doch Fantasien sind keine Handlungsabsicht, keine versteckten Wünsche, die „umgesetzt werden müssen“, und erst recht kein Zeichen von Störung.
Fantasien drücken nicht aus, was wir tun wollen – sondern was wir fühlen wollen.
Sie sind ein Raum, in dem:
Macht frei verhandelt werden kann
Hingabe sicher wird
Kontrolle spielerisch abgegeben oder zurückgeholt werden kann
Intensität ohne Risiko erlebbar wird
Fantasien sind also kein Lebensentwurf. Sie sind ein emotionales Experimentierfeld.
Warum Tabus uns erregen
Tabus berühren Grenzen – nicht, um sie zu überschreiten, sondern um Spannung zu erzeugen. Sie liegen an der Kante zwischen:
Kontrolle & Kontrollverlust
Nähe & Gefahr
Moral & Instinkt
Zivilisation & Körperlichkeit
Diese Kante aktiviert unser Nervensystem. Nicht in realer Gefahr – sondern in der sicheren Distanz der Vorstellung. Der Reiz entsteht nicht aus der Handlung an sich, sondern aus der Symbolik, die dahintersteckt.
Tabus wirken, weil sie etwas auslösen, das im Alltag keinen Platz hat:
Unzensierte Lust.
Fantasien entstehen oft im Verborgenen – und das ist normal
Viele Fantasien entwickeln sich „still“, weil niemand offen über Sexualität spricht. Nicht in Familien. Nicht in Beziehungen. Nicht in der Gesellschaft.
Dadurch entsteht der Eindruck, man sei alleine mit seinen inneren Bildern. Doch in Wahrheit sind Fantasien universell – die meisten Menschen hatten ähnliche Gedanken schon einmal.
Es ist nicht die Fantasie, die ungewöhnlich ist. Es ist nur das Schweigen darüber.
Fantasie als sicherer Ort
In der Fantasie gelten andere Regeln:
Du kannst jederzeit aussteigen.
Es gibt keine Konsequenzen.
Du musst niemandem gefallen.
Du kannst fühlen, ohne handeln zu müssen.
Deshalb erregen viele Menschen Dinge in der Fantasie, die sie in der Realität niemals wollen würden. Nicht, weil sie „verbotenes Verhalten“ gutheissen. Sondern weil sie das Gefühl dahinter erregend finden.
In der Psychologie sexueller Fantasien geht es weniger um konkrete Szenarien, sondern um innere Zustände. Fantasien erlauben uns, Emotionen zu erkunden, für die im Alltag kein Raum ist – und genau deshalb fühlen sie sich oft so kraftvoll an.
Fantasie ist ein geschützter Ort, an dem wir eigene Bedürfnisse erkunden, ohne eine Entscheidung treffen zu müssen.
Warum viele ihre Fantasien nicht benennen können
Viele Menschen wissen gar nicht genau, was sie fantasieren – nur, dass es sie erregt. Das liegt daran, dass Fantasien selten sprachlich entstehen. Sie entstehen körperlich – als Bild, Stimmung, Energie.
Sie sind nicht logisch aufgebaut. Sie sind intuitiv.
Wenn wir sie nicht benennen können, heisst das nicht, dass sie „zu schwierig“ sind. Es heisst nur, dass wir nie gelernt haben, darüber zu sprechen.
Kommunikation über Fantasien muss nicht gross oder dramatisch sein
Wer Fantasien teilt, muss nicht gleich das ganze Innenleben offenlegen.
Oft reichen kleine Schritte:
eine Andeutung
ein „ich habe etwas Spannendes bemerkt…“
ein gemeinsames Gespräch darüber, was sich gut anfühlen könnte
Gute Kommunikation über Sexualität braucht nicht Perfektion, sondern Neugierde und Offenheit.
Mythen über Fantasien – und warum sie uns verunsichern
Rund um Fantasien existieren viele Missverständnisse. Einer der häufigsten ist die Annahme, Fantasien seien ein Zeichen dafür, dass etwas in der Beziehung fehlt. Doch Fantasien entstehen unabhängig von Zufriedenheit – sie sind ein innerer Raum, kein Kommentar zur Partnerschaft.
Ein weiterer Mythos: Dass Fantasien automatisch umgesetzt werden müssten, sobald sie ausgesprochen werden. Genau das führt zu Unsicherheit – und verhindert Offenheit. Doch Fantasien dürfen einfach existieren. Sie sind ein Ausdruck unserer Psyche, nicht ein Auftrag an den Partner. Sie entstehen im Inneren, nicht als Plan für die Realität.
Viele Menschen schweigen darüber, weil sie Angst haben, „komisch“ zu wirken. Doch in Wahrheit sind die meisten Fantasien weit weniger aussergewöhnlich, als sie sich anfühlen. Ungewöhnlich wirkt oft nur das Schweigen darüber.
Fantasien müssen nicht umgesetzt werden
Das ist der wichtigste Satz in diesem ganzen Artikel:
Fantasien dürfen existieren, ohne gelebt zu werden.
Sie dienen deinem inneren Erleben – nicht der Aussenwelt. Sie können Lust wecken, Neugier anstossen, Spannung erzeugen oder einfach zeigen, was in dir lebendig ist.
Fantasien erfüllen Funktionen wie:
Selbsterkundung
emotionale Entlastung
Zugang zu verdrängten Anteilen
Regulation von Lust
Spielraum für Facetten, die im Alltag keinen Platz finden
Ob du etwas nur denkst, ob du es teilst, oder ob du es spielerisch in eure Intimität einbeziehst – das entscheidest du selbst.
Es gibt kein „sollte“.
Kein „muss“.
Nur ein: „Was fühlt sich richtig an?“
Praktische Wege, Fantasien sicher zu erkunden
Wenn du dich deinen Fantasien annähern möchtest – ohne Druck:
Selbstbeobachtung: Schreibe auf, was auftaucht.
Akzeptanz: Lust ist kein moralisches Urteil.
Sanft teilen: Kleine Schritte reichen.
Neugier: Fragen statt analysieren.
Grenzen: Nichts muss umgesetzt werden.
Fantasie ist ein Zugang zu uns selbst
Sexuelle Fantasien erzählen eine Geschichte, aber nicht über Moral oder Charakter. Sie erzählen eine Geschichte über Lust, Mut, Neugier, Spannung – über das Innenleben, das wir selten zeigen. Sie sind ein Teil unserer sexuellen Intelligenz. Ein Zugang zu uns selbst. Eine Möglichkeit, sich ohne Scham zu erleben. Und manchmal sind sie der Anfang von Gesprächen, die Beziehungen tiefer machen als jede Technik.
Unterstützung auf dem Weg
Wenn du deine Fantasien erforschen möchtest – alleine oder mit Partner – kann ein geschützter Rahmen hilfreich sein.
In meiner Begleitung geht es nicht darum, etwas „richtig“ zu machen, sondern darum, dich selbst besser zu verstehen, deine Lust ernst zu nehmen und Sexualität wieder frei und leicht zu erleben.
Wenn du diesen Weg nicht allein gehen möchtest – ich bin für dich da.
Deine Daniela,
Paar- und Sexualberaterin
Coach & Mentor für Liebe, Beziehung und Sexualität




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